Montag, 11. Mai 2020

Kleiner Riss, große Wirkung - eine echte Gefahr beim Austin Seven

Schon vor rund 15 Jahren hörte ich von einem Ersatzteil, welches aufwendigst und nach allen Regeln der Ingenieurskunst für den Austin Seven neu geschaffen wurde. Ein Lenkhebel. Zum damaligen Zeitpunkt war mein Fahrzeug rund 70 Jahre alt, generalüberholt und lief einwandfrei. Weder hegte ich den Verdacht, dass das Problem mein Fahrzeug betreffen könnte, noch wollte ich irgendwelche Maßnahmen ergreifen, die den sehr guten Zustand in irgendeiner Form veränderte... schon gar nicht eine Abweichung von dem für mich so wichtigen Originalzustand. 

Um das Problem zu veranschaulichen, soll das letzte Bild des Berichts vorangestellt werden, denn das Übel ist ein Riss... ein Haarriss, der im Normalbetrieb keinem Fahrer auffallen dürfte. Was zuerst wie eine abplatzende Farbschicht aussah, entpuppte sich bei ganz genauem Hinsehen als Riss, der bereits durch Austreten von Rost die Tragweite andeutete. Der im englischen Sprachgebrauch "swifle axle lever" genannte und im Katalog des Fahrzeuges mit der Nummer BM 96 versehene Lenkhebel stand kurz vorm Bruch!

Bild 1: Kaum zu erkennen, wenn das Bauteil montiert ist, aber unter gutem Licht und gereinigt... Der Riss!
Im Ausgangszustand sah alles noch aus wie vor rund 25 Jahren, als das Fahrzeug aus der Generalüberholung kam, aber die drohende Gefahr machte eine Demontage des Gestänges notwendig. Zuerst wurde die Lenkstange (rechts im Bild, steering side tube, BM 99) von der Schraube (bolt, 1/4 inch, BM 102) befreit, um so die Lagerschalen (thrust block (loose) BM 105) des Kugelgelenks (ball pin, BM 107) zu lösen. 

Bild 2: Der Ausgangszustand - begonnen wurde damit, dass das Kugelgelenk der Lenkstange freigelegt wurde.

Das Ganze steht unter Druck und kann durch eine Gegendruck leichter gelöst werden. Hierzu verwendete ich beim Ein- und Ausbau eine Dachlatte, die gegen die Stange und die gegenüberliegende Wand der Garage gespannt, den Druck beim Drehen des Lenkrades aufbauen konnte. Dies erleichterte die Entnahme des Bolzens / Schraube. 

Bild 3: Um die Konstruktion lösen zu können, wurde eine Dachlatte verwendet, um den nötigen Druck bei der Demontage zu erhalten.
Nach Entfernen des Bolzens lässt sich die Hülse (Cap, BM 101) leicht entfernen und die Feder (Spring, BM 100) sowie die Lagerschale (Thrust block, BM 105) für das Kugelgelenk entfernen. In der Hülse befand sich noch eine Scheibe, die den Druck der Feder auf dem Hülsenboden gleichmäßig verteilt. Diese ließ sich erst durch intensives Reinigen mit Benzin der Bauteile aus der Hülse befreien, wobei nicht ganz klar ist, ob diese nachträglich eingesetzt wurde oder ab Werk montiert war. Im Katalog von 1934 wird sie nicht explizit aufgelistet und könnte somit auch Bestandteil der Hülse (cap, BM 101) gewesen sein.

Bild 4: Der gelöste Bolzen wurde entfernt, die Hülse wird nun durch die Feder ca. 5mm nach vorne gedrückt.

Bild 5: Die Hülse ist abgezogen, es liegt die Feder mitsamt Kugelschale frei

Bild 6: Der Kugelkopf mit Kronenmutter und das von den "Innereien" befreite Lenkgestänge

Bild 7: Links bereits der neue Lenkarm (BM 96 + BM 97 + BM 98), die Kugelschale (BM 105), die Feder (BM 100), die Platte sowie die Hülse (BM 101) nebst Bolzen (BM 102) und Mutter (BM 103).
Nach der Demontage fiel mir auf, dass sich der Kugelkopf, der sich konisch in den Lenkarm einpasst leicht drehen ließ. Somit wurde anscheinend die Drehbewegung nicht über die Kugelkopfkonstruktion im Lenkgestänge sondern über die Lenkarm-Kugelkopfbefestigung ausgeführt. Ein Lösen der Kronenmutter (slotted nut, BM 108) war nur dadurch zu bewerkstelligen, dass der Kugelkopf, eingewickelt in mehrere Lagen Baumwolltuch, mit einer Rohrzange festgehalten wurde, während die Kronenmutter gedreht wurde.

Nun kam der eigentliche Ersatz des Lenkhebels an die Reihe. Die Schraube des alten Hebels saß fest, sehr fest und die ersten Versuche mit einem geeigneten Maulschlüssel führten zur Abrundung entscheidender Ecken an der Mutter. Nun blieb erst einmal nur ein sanftes Begradigen der aufgeworfenen Ecken mit der Schlüsselfeile und dann das kraftvolle Andrücken einer geeigneten Nuss. Warum nicht gleich zu Beginn eine Nuss eingesetzt wurde... Fragen Sie mich nicht!

Bild 8: Die ersten Versuche ließen die Mutter an den Ecken rund werden, somit passte auch keine Nuss mehr...

Bild 9: Erst ein Begradigen der aufgeworfenen Ecken und der Einsatz einer passenden Nuss brachte das gewünschte Ergebnis.

Bild 10: Nun konnte der Arm herausgearbeitet werden.
Nachdem die Mutter (plain nut 1/2 inch, BM 97) nebst Federring (spring washer 1/2 inch) entnommen worden war, konnte der Arm durch sanfte Schläge aus der Schwenkachse (Swifle axle - offside, BL 81) befreit werden. Schnell noch die Farbe entfernt und die Montage des neuen Lenkarms vorbereitet.

Bild 11: Der Arm löst sich und kann entnommen werden.

Bild 12: Lack entfernt und fertig zum Einbau des neuen Armes.
Bei der Vormontage des Lenkarms musste der Kugelkopf eingesetzt werden und mit der Kronenmutter nebst Splint gesichert werden. Das bereits beim Ausbau festgestellte Problem, dass sich der Kugelkopf im Arm drehen ließ, wollte ich durch Festziehen der Kronenmutter abstellen. Sämtliche Versuche scheiterten an der dazu notwendigen Kraft, nicht zuletzt dadurch, dass ich den Kugelkopf auch nicht durch das Werkzeug zerkratzen wollte. Auch die bereits bestehende Bohrung für den Splint musste ich beachten, wobei dies vermutlich auch noch geklappt hätte, aber ich beließ es jetzt erste einmal bei meiner "Mehr geht gerade nicht"-Lösung.

Bild 13: Der Lenkarm (Swifle axle lever, BM 96) mit eingesetztem Kugelbolzen (ball pin, BM 107), Kronenmutter (slotted nut, BM 108) und Sicherungssplint (split pin, BM 109).

Nach  Einbau des Armes, wurden alle Teile abgeklebt und mehrschichtig lackiert. Das Auge fährt ja schließlich mit.

Bild 14: Alle Teile wurden abgeklebt und lackiert. 

Bild 15: Nach rund 19 km Probefahrt und wildem Lenken, zeigte sich die Konstruktion ohne "Wackler" und "Klopfer"...
Alle benötigten Teile (falls Ersatz notwendig) für diese Arbeiten sind:

Sonntag, 3. Mai 2020

Hochwasser im Motorraum - Nach 25 Jahren machen die Dichtungen schlapp

Vor rund 25 Jahren wurde der Wagen komplett zerlegt, aufgearbeitet und ist seitdem auch in einem hervorragenden Zustand. Bereits davor wurden am Fahrzeug durch die Vorbesitzer Maßnahmen durchgeführt, die den letzten Restaurator überzeugt hatten und die er so gelassen hatte. 

Dazu gehörte auch eine typische Instandsetzungsmaßnahme, die sich in DIY-Heften der 60er und 70er Jahre so finden lässt. Die problematischen Stehbolzenkonstruktionen der Wasserzu- und Abläufe des Kühlsystems. So hat der Zylinderkopf einen Wassereintritt, der über einen Steg verfügt und über ein Innengewinde einen Stehbolzen hält, der wiederum den Schlauchstutzen zum Kühler fixiert. Eigentlich recht simpel, aber im Laufe der Zeit auch immer dem Wasserstrom der Konvektionsströme im pumpenlosen Wasserkreislauf ausgesetzt. Da das Kühlmittel zu großen Teilen auch Wasser beinhaltet und Metalle und Wasser sich Spinne Feind sind, ist es nicht verwunderlich, dass diese Partien besonders beansprucht werden.

Schon bereits im letzten Jahr musste ich feststellen, dass sukzessive mehr und mehr Kühlmittelaustritt an den zwei Wassereinlässen festzustellen war. Zuerst reichte ein sanftes Nachziehen der Schrauben, dann jedoch musste ich mit Lappen das Kühlmittel daran hindern, den Zylinderkopf in ein Sumpfgebiet zu verwandeln.

Der Zustand der letzten Jahre - langsames aber stets Austreten der Flüssigkeit

Bevor ich auch nur irgendeine Schraube löse, schaue ich mir die typischen Standardwerke und einschlägigen Foren genau an und bestelle vorsorglich alle womöglich nötigen Ersatzteile. Insbesondere in den Foren konnte man Bilder und Beschreibungen sehen, die einen auf das Mögliche gut vorbereiten.

So sah das Ganze vor der Instandsetzung aus.

Nachdem die Bestellungen raus gegangen, die Teile - bis auf ein falsches / defektes Teil - alle eingetroffen waren, öffnete ich die "Kiste der Pandora". Alles ließ sich leicht lösen, der Stutzen leicht vom Schlauch, der Stutzen vom Zylinderkopf... alles gut.

Der Schlauch wurde entfernt, der Stutzen drehte sich bereits von der mürben Dichtung

Die Gummidichtung war auch teilweise porös - Das Bild sollte die Reihenfolge der Unterlegscheiben dokumentieren, um später diese auch wieder genau so einzusetzen... 

Der Anblick dessen, was sich dann offenbarte, hätte ich mir zwar anders erhofft, aber entsprach den Bildern der Beiträge in den Foren. Der Steg war bereits stark angegriffen und wurde von den vorherigen Besitzern bzw. vom Restaurator durch eine Schraubenkonstruktion ersetzt. Nüchtern betrachtet... hat ja gehalten! Aber auch die Schraube war stark angegriffen. Die Seite, die den steten Strom des Wassers ausgesetzt ist, war korrodiert, erodiert... fast schon eliminiert. Hier werde ich demnächst handeln müssen, aber kommt Zeit, kommt Rat.

Der stark korrodierte Steg mit der bereits behelfsmäßig eingesetzten Schraube anstelle des eigentlich vorgesehenen Stehbolzens.
Nicht-maßstabsgerechte Skizze des Wassereinlasses am Zylinderkopf

Erst einmal wurden alle Teile entnommen (zugegeben nicht viel bei dieser Arbeit), gesäubert (da klebte doch so einiges an Substanzen von außen und innen am Stutzen) und für den Wiedereinbau vorbereitet. Insbesondere die Flächen die später auf die Dichtung treffen, wurden gesäubert, im Falle des Stutzen sogar mit 800er Schmirgel plan geschmirgelt. 

Der aufpolierte Stutzen und der  spröde Gummiring nebst Unterlegscheibe und Mutter

Die Dichtung, eine Kunststoffdichtung mit Zwischengewebe hatte treue Dienste geleistet, zerfiel aber in ihrer Komponenten, diese wurde durch eine Korkdichtung ersetzt. 

Die völlige zerfallene Dichtung

Die Dichtung am Stehbolzen besteht aus einer üblichen Gummidichtung.

Die neue Gummidichtung

Beim Zusammenbau wäre die Reihenfolge eigentlich gewesen: Stutzen, Gummidichtung, Unterlegscheibe, Sicherungsscheibe, Schraube... "Wäre", da der Herr der Korinthenkackerei (also ich) durch eine Unterbrechung der Arbeiten die Teile nicht verlieren wollte und schnell über den Stehbolzen legte, die Reihenfolge nicht beachtete und bei der Wiederaufnahme der Tätigkeiten diese auch nicht änderte, wurden die zwei Scheiben in falscher Reihenfolge angezogen. Warum nicht danach noch schnell geändert? Ganz einfach. Um an der kritischen Stelle der Bohrung im Stutzen keinen Wasseraustritt zu riskieren, hatte ich dort neben der Gummidichtung auch Spezialsilikon verbaut und damit war die Sache besiegelt. Zur Sicherung der Schraube erfolgt erst einmal nur das Vertrauen in den erhöhten Druck der Gummidichtung, stetes Kontrollieren der Schraube und ggf. eine zweite Sicherungsschraube. 

Der neu aufgesetzte Stutzen nebst neuer Korkdichtung