Sonntag, 5. März 2017

Wechsel eines gebrochenen Radbolzens (Hinterachse) - RP Box Saloon 1934 - Teil 4 - Niethilfen

Nachdem ich meinen ausgebauten Hinterachs-Hub durch eine renommierte Fachwerkstatt dahingehend in Stand habe setzen lassen, dass der gebrochene Radbolzen gewechselt wurde, überlegte ich mir, dass auch ein weiterer Radbolzen, der bereits eine gewisse Krümmung und damit Dehnung erfahren hatte, doch gleich auch gewechselt werden könnte. Könnte! Aber nicht so, wie die Fachwerkstatt dies bewerkstelligt hat. Warum nicht? Weil ich es anderes gelernt habe. 

Als ich seinerzeit in der Metallerei einer Flugzeugwerft arbeitete, wurden genietete Teile des Flugzeuges von unserer technischen Einheit demontiert, zerlegt und instandgesetzt. Alles Bauteile, die in der Preisspanne zwischen wenigen hundert Euros bis hin zu ganzen Einfamilienhäusern, ja selbst Wohnhaussiedlungen lagen. Da konnte es dann schon einmal vorkommen, dass Arbeitsschritte genau vorher festgelegt wurden und mehrfach besprochen werden mussten. Alles, damit die Bauteile keinen Schaden nahmen und eine technische Abnahme der Flugzeuge nach der Instandsetzung gewährleistet war.

Warum diese ausführliche Beschreibung? Weil ich das Lösen von Niete (alle Arten) als Routine verinnerlicht hatte. Während die Fachwerkstatt das Lösen des gebrochenen Radbolzens dadurch bewerkstelligte, dass die Rückseite des Bauteiles mithilfe einer Schleifmaschine so geschwächt bzw. entfernt wurde, dass der Bolzen nur noch an Nietresten hing, wobei hierbei die Gefahr bestand, dass durch Abrutschen oder Überhitzen des Bauteiles Schäden hätten entstehen können, ging ich auf die mir bekannte Weise vor.

Die Niete wurden gekörnt, eine Standbohrmaschine mit einem hochpräzisen HSS-Bohrer bestückt und das Ganze so eingestellt, dass der Bohrer nur den Niet, nicht aber den Hub bohren konnte. Nachdem beide Bohrungen gesetzt waren, ließ sich bei einem der Niete der verbliebene Kranz des Nietkopfes entfernen und der Niet mit einem Dorn vorsichtig heraustreiben. Der zweite Niet hingegen musste vom verbleibenden Kranz dahingehend gelöst werden, indem durch Schlagen mit dem Dorn der Kranz abriss und der Nietrest sich löste. Danach ließ sich der verbogene Radbolzen aus dem Hub ziehen.

Nun galt es den neuen Radbolzen einzusetzen und jetzt offenbarte sich, was auch der Fachwerkstatt nur mit größter Mühe gelungen war und die die vom Werkstattbesitzer gestellte Frage nach einer Radmutter erklärte.

Während das Einsetzen des Ersatzteiles in den Hub noch leicht von der Hand ging, ließ sich immer nur ein Niet in die gefasten Öffnungen setzen. Sobald ein Niet eingesetzt war, weigerte sich der zweite Niet. 

Des Rätsels Lösung liegt in der Qualität der Ersatzteile. Die Löcher des Hubs und des Radbolzens fluchten nicht. Sitzt der eine Niet, passt der andere nicht. 

Der erste Versuch die Niete zu schlagen, funktionierte zwar, allerdings lag der Radbolzen mit seiner Auflagefläche nicht bündig auf dem Hub auf. Die Kräfte beim Einschlagen des Niets in die nicht fluchtenden Löcher ließen sich nicht auffangen und so bildete sich ein Spalt zwischen beiden Bauteilen, der nicht mehr zu schließen war. 

Die Frage nach einer Radmutter, die vom Werkstattbesitzer gestellt wurde, diente alleinig dem Zweck, die Bauteile aneinander zu ziehen, wobei die Mutter beim Nieten dann die benötigte Auflagefläche für den Nietkopf versperrt hätte.

Da musste eine Lösung her: Die Radmuttern sollen die Teile aneinander ziehen. Die Niete sollen auf einer planen und festen Oberfläche aufliegen. Ich vermaß alle Teile, dimensionierte die Platte so, dass sie möglichst viel Auflagefläche bot, um währen der Arbeit den Hub plan aufliegen zu lassen. Während auf der einen Seite die Scheibe plan sein sollte, erhielt die andere Seite, vielmehr das Loch für den Radbolzen, noch eine Fase. 

Um auch von der anderen Seite die Niete bearbeiten zu können, musste eine Art Kranz erstellt werden, der die Niete plan aufliegen lässt und das herausstehende Mittelteil des Hubs auffängt.






Gut! Wer erstellt die Teile? Mal schnell daran erinnert, dass ich vor rund 10 Jahren einen Praktikanten bei einer Dreherei besucht hatte und ab ins Auto. 

Der Chef der Firma zeigte sich interessiert, stellte Fragen und zeichnete neu. Er schien auch Interesse am Thema „Nietverbindungen“ zu haben. Ich musste ihm erklären, wozu ich die Teile bräuchte und er wollte wissen, ob ich mich mit Nieten (aus meiner beruflichen Sicht eine doppeldeutige Frage, die ich mit entsprechenden Grinsen kommentierte) auskenne. 

Sein Interesse basierte auf der Tatsache, dass er vor kurzem eine sehr alte Kupplung hatte neu anfertigen müssen, die aus aneinander genieteten Stahlscheiben bestand und heiß genietet werden musste. Das Problem waren weniger die neu anzufertigen Stahlscheiben – für diese Firma, die hochpräzise Dreh- und Frästeile für Pumpen und Extruder baut eher ein Klacks – sondern jemanden zu finden, der heute noch mit heißen Niete arbeiten kann. Bei diesem Problem zeigte ich mich verwundert und nannte ihm auf Anhieb drei Werkstätten, die alte Dampfkessel restaurieren und neue Kessel konstruieren können und daher so etwas routinemäßig betreiben. Man tauschte sich also aus und ich erhielt nach 5 Tagen zwei wunderschöne Drehteile, die demnächst ihre Prüfung zu absolvieren haben. Fortsetzung folgt!